Text und Fotos: Richard Kienberger
Eigentlich sollte diese Geschichte nur mit Bildern erzählt werden. Das wäre vernünftig. Ein Foto transportiert Emotionen, ein Text kann das auch. Aber im besten Fall sollte ein Text über zusätzliche Qualitäten verfügen: sein Sujet durchdringen, analysieren und Zusammenhänge verständlich machen. Was aber, wenn der Zweck einer Veranstaltung letztlich darin besteht, ein paar Stunden völlig unintellektuell abzuschalten, die Welt gewissermaßen auszublenden, sich bespaßen zu lassen und genau daraus frische Kraft zu ziehen – kann oder darf man sich so einem Ereignis mit dem analytischen Auge des Reporters nähern, der mehr will, als nur beschreiben, wie Menschen unbeschwert gegessen, getanzt, gelacht und geschäkert haben?
Wobei es hier nicht nur um ein bestimmtes Event gehen soll, sondern vorrangig um einen essenziellen Bestandteil derartiger Veranstaltungen – die Stimmungsband. Die in diesem Fall den sehr passenden Namen „Partyvermittlung“ gewählt hat.
Man sollte die folgende Reportage also als Versuch einer Annäherung betrachten.
Pfaffenhofen, ein Samstagabend Ende März im Stockerhof. Angesagt ist die 17. Auflage des „Trachtenfestivals Heimatglocken“. Die Location ist restlos (in diesem Fall ist das wörtlich zu verstehen!) ausverkauft, trotz des parallel dazu stattfindenden Auftritts eines anderen bekannten Künstlers in der Schulturnhalle Niederscheyern. Bei einem Heimatfestival passt die umgangssprachliche Feststellung: Die Karten gingen weg wie die warmen Semmeln; es handelt sich also um eine Veranstaltung mit großer Fangemeinde. Wer eingelassen werden will, muss in Tracht erscheinen (Reporter bleiben hiervon dankenswerterweise ausgenommen). Womit bereits das erste Dilemma beschrieben wäre: Traditionalistischen Trachtlern sind Frauenbeine, und seien sie noch so wohlgeformt, gewandet in kurze Lederhosen und mit reichlich Tattoos als Permanentverzierung ebenso zuwider wie dem Veganer die Rindssuppe. Was die Herrenoutfits anbelangt, gibt es für die Ultrakonservativen auch genügend Details, die Anstoß erregen. Beispielsweise weiße Turnschuhe zur Ledernen. Andererseits zeigt sich ja seit vielen Jahren auf Volksfesten, Hochzeiten oder eben Veranstaltungen wie den Heimatglocken eine urwüchsige Kraft der Tradition, die sich weiterentwickelt und weiterlebt und macht, wonach den jungen Menschen der Sinn steht, während die Zeitläufte sich nicht um rückwärtsgewandte Puristen kümmern, sondern mit Gleichmut allenfalls Geschmacksfragen klären.

Es ist ein spezielles Biotop, das sich da entwickelt hat, hierzulande in gewisser Weise in bayerischen Traditionen wurzelnd, aber gleichzeitig auch grenzenlos. Was sich auch in der Musik spiegelt.
Womit wir bei der „Partyvermittlung“ angekommen wären, die an diesem Abend das Publikum in die richtige Stimmung versetzen soll. Oder die zur Stimmung des Publikums passenden Songs performen soll. So genau lässt sich das nicht sagen. Jedenfalls führen Publikum und Band in der ersten halben Stunde des Auftritts eine Parallelexistenz: Die „Partyvermittlung“ spielt auf der Bühne, die Gäste im Stockerhof unterhalten sich, versorgen sich mit Essen und Trinken und dürften in ihrer Mehrzahl gar nicht mitbekommen, welcher Song gerade aus dem Lautsprecher dröhnt. Sängerin Sarah Pickl wagt ein Tänzchen mit einer Besucherin und wirkt ganz locker dabei.
Was offenbar nicht immer so war, denn bei einem Gespräch am Abend vor diesem Auftritt in Pfaffenhofen berichtete die Frontfrau, dass sie all das in den Jahren nach der Bandgründung erst lernen musste: „Aber das gehört dazu, dass man mit den Leuten tanzt, ins Publikum geht oder mal einen lockeren Spruch rauslässt.“ Die Geburtsstunde der Band datieren die Mitglieder auf den 1. Mai 2017. Die „Partyvermittlung“ ist eine Mischung aus Quintett und Sextett: Sie treten zu fünft auf, wobei sich die beiden Keyboarder bei den Auftritten abwechseln. Die Motivation, in dieser Form zusammenzuspielen, entsprang dem Wunsch von Bassist Tobias Schaffer, der sich zuvor hauptsächlich in „ernsteren“ Gefilden bewegt hatte, „etwas für ein jüngeres Publikum zu machen“, wofür er seine Kollegen Stephan Ebner, Daniel Reisner, Georg Gaßner und Martin Ruland um sich versammelte. Die zum Teil in anderen Formationen mit unterschiedlicher Ausrichtung spielen. Zum Abschluss der Bandfindung casteten sich die Musiker eine passende Sängerin.

Die „Partyvermittlung“ (der Name verdankt seine Entstehung dem dynamischen Verlauf einer gemeinsamen Grillparty) sollte ein zusätzliches musikalisches Standbein als Hochzeits- und Partyband werden, was ein unglaubliches musikalisches Repertoire voraussetzt. Denn in diesem Genre performt man keine eigenen Songs, sondern spielt sich quer durch alle Stile und Epochen: Nach 30 Minuten Auftritt im Stockerhof setzen sich zwei der Bandmitglieder Sonnenbrillen im Ray-Ban-Stil auf und spielen einen Song der legendären Blues Brothers – vor einem Publikum wohlgemerkt, das durchgängig in Lederhose beziehungsweise Dirndl gewandet ist. Aber genau nach diesem Mix verlangt. Bands wie die „Partyvermittlung“ müssen den Geschmack eines Auditoriums bedienen, das einige Jahrzehnte Altersunterschied umspannt und dessen Musikvorlieben von Rock über Pop bis zum modernen Heimatsound – ein Stichwort wäre Hubert von Goisern – reichen. Und in jüngerer Zeit kommen noch die Gassenhauer mit größtenteils unterkomplexem Text dazu, die bei den Après-Ski-Partys oder auf dem berüchtigten Ballermann – der auch bei der Genrebezeichnung „Ballermann-Hits“ Pate stand – gerade angesagt sind. Vereinfacht gesagt: Die Erwartungshaltung des Publikums bestimmt das Programm, die persönlichen Vorlieben der Band und ihrer Mitglieder spielen dabei allenfalls eine untergeordnete Rolle.
Keine Frage – man muss es mögen, als Musiker unter diesen Voraussetzungen aufzutreten. Was die Partyvermittler für sich durchweg bejahen.
„Wegen dem Geld machst du das nicht. Wir machen es aus Spaß und mit Leidenschaft. Ohne Leidenschaft geht es nicht.“ Deshalb beschränkt sich die Zahl der Auftritte auch auf das, was die fünf Musiker und ihre Sängerin in ihren beruflichen Alltag beziehungsweise in ihr Privatleben integrieren können. Es gibt einige feste Verpflichtungen wie zum Beispiel den Donnerstagstermin auf dem Pfaffenhofener Volksfest in der Spitzhütte: Der scheint jetzt schon wieder ausverkauft zu sein, berichtet Sängerin Sarah, die auch fürs Organisatorische zuständig ist. Dazu gibt es etliche Auftritte bei Vereinsjubiläen und, nach dem Fasching ist vor dem Fasching, bereits jetzt feststehende Termine in der närrischen Saison 2026. Viele Fans hat die Gruppe nach eigener Einschätzung jenseits der östlichen Landkreisgrenze: Aus der Freisinger Ecke kommen viele Anfragen, in diesem Jahr werden sie zum Beispiel in Palzing und Enzelhausen spielen. Nur bei der Frage nach Open-Air-Konzerten winkt Pickl ab und lacht: „Bitte nicht. Die letzten Termine sind alle ins Wasser gefallen.“ Was wörtlich zu nehmen ist: Bei einem Auftritt im Biergarten der Gaststätte Metzgerbräu in Hohenwart wurde die Band von einem Regenguss eingeweicht und das geplante Konzert beim Bürgerfest in Schrobenhausen musste wegen des Hochwassers abgesagt werden.
So weit, so rational. Doch es gibt ja noch die alte Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde, die allegorisch für die zwei Seiten einer Persönlichkeit steht, die in vielen von uns stecken. Nach knapp einer Stunde kommt Sängerin Sarah von der Bühne, tänzelt durch die Reihen des Publikums, springt auf eine Bierbank und treibt die Gäste an. Und auch wenn es nur Staub ist, der im Strahl eines Spotlichts tanzt, wirkt der Lichteffekt über der Stimmungsmacherin wie eine Krone. Das ist die andere Seite der jungen Frau, die von Montag bis Freitag als seriöse Beraterin in einer Bank (zufällig in der, die in dieser Ausgabe von Quer 19+ ebenfalls vorkommt) arbeitet: „Für mich ist das ein schöner Ausgleich zum beruflichen Alltag, zu meinem Schreibtischjob.“ Und ergänzt, sie sehe das wie Sport. Wobei das nur die halbe Wahrheit ist, denn der eigentliche Erfolg der Sängerin und ihrer Bandkollegen bemisst sich nicht in Euro, sondern im Applaus und dem Zuspruch des Publikums und sie sind ehrlich genug, zuzugeben, dass das eine starke Motivation ist: „Das Feedback der Fans ist etwas Tolles und hält eine Gruppe über Jahre am Laufen“, sagt Bassist Tobias. So wie im Stockerhof, als schließlich die Tanzfläche zu klein für die vielen Feiernden wurde und die Band weit über das vorgesehene Ende hinaus auf der Bühne blieb.
Beifall ist der Treibstoff vieler Künstler. Manche müssen dafür eben die Kunst beherrschen, ein Bierzelt zum Brodeln zu bringen.
