Das schöne schaffen

Text: Sabrina Karmann //  Fotos: Markus Rist

Sie ist Autorin von aktuell 13 Büchern rund ums Malen und Zeichnen, Markenbotschafterin namhafter deutscher Hersteller, sie betreibt einen Einzelhandel für Künstlerbedarf, eine Malschule und arbeitet als freie Malerin. Wenn es jemanden in Pfaffenhofen gibt, der etwas zu Kunst zu sagen hat, dann ist es Anita Hörskens.



„Das Wasser, das Plätschern, das Laufenlassen – man muss beim Aquarell ein stückweit die Kontrolle abgeben. Und je mehr man dazu bereit ist, desto besser ist es für das Bild!“

Wenn Anita Hörskens erzählt, wie es dazu gekommen ist, dass sie nun hier, in ihrem über 100 Quadratmeter großen Atelier sitzt, klingt zum
einen nach Schicksal, zum anderen aber auch nach der Verwirklichung von Träumen und harter Arbeit.


Bereits der Blick auf das hübsche, dunkelgraue Haus mit den mintfarbenen Fensterläden lässt erahnen, dass hier Schönes geschaffen wird. Und dabei hat „das Schaffen“ mindestens denselben Stellenwert wie „das Schöne“. Das verraten der selbstgebaute Holzzaun ebenso wie die liebevoll dekorierten Ziegelmauern und verschiedene kleine Blickfänger im Garten. Unter einer Überdachung liegt vor großen Fenstern ein abstraktes Gemälde zum Trocknen. Hinter den Fenstern befindet sich das helle Atelier von Anita Hörskens – der Künstlerin, die hier Kunst schafft und Menschen Kunst und Malerei nahebringt. Dass sie sich diesen Traum verwirklichen konnte, sei ihr wortwörtlich zugefallen, sagt sie. „‚Zufälle‘, die ich angenommen habe, Angebote, denen ich mich gestellt habe, ohne einen Fahrplan zu haben. Und so hat sich dann eins nach dem anderen im Laufe der vergangenen 25 Jahre entwickelt.“ Wenn Anita Hörskens erzählt, wie es dazu gekommen ist, dass sie nun hier, in ihrem über 100 Quadratmeter großen Atelier sitzt, klingt das zum einen nach Schicksal, zum anderen aber auch nach der Verwirklichung von Träumen und harter Arbeit. Ursprünglich hatte sie eine Ausbildung zur Justizfachwirtin absolviert und in dem Beruf gearbeitet, bis ihre Töchter zur Welt kamen. Auf der Suche nach einem Nebenjob und durch ihre Leidenschaft Schneidern begann sie, Nähkurse für Kinderkleidung an der VHS zu geben und stellte fest, dass ihr das Unterrichten lag. Sie ging dazu über, Malkurse zu geben und eröffnete – damals noch in Tegernbach – einen kleinen Einzelhandel für Kunstbedarf im eigenen Haus. „Es war wirklich eine glückliche Situation, das einfach machen zu können, ohne finanzielles Risiko!“ Ganz so einfach war es trotzdem nicht: Aufgrund der Vertriebsstrukturen und des Gebietsrechtsschutzes der Hersteller musste sie hart kämpfen, um sich zu etablieren. Für die weitere Entwicklung der Selbstständigkeit sollte aber genau dieser schwere Einstieg von großer Bedeutung sein, denn durch Vehemenz und nachhaltigen Einsatz zur Durchsetzung ihres Planes blieb sie zwei Lieferanten besonders im Gedächtnis. Sie boten Hörskens an, als Markenbotschafterin freiberuflich für sie zu arbeiten und stellten sie einem Fachbuchverlag als Autorin vor.



Parallel arbeitete sie weiter an ihrer künstlerischen Entwicklung – ihre Wurzeln verortet sie im Aquarell. Sie erzählt begeistert und dennoch mit einer Spur Ehrfurcht von ihrem früheren Dozenten Jos Biersack, der als Architekt Aquarell lehrte und ihr die Balance zwischen strenger Perspektive und Leichtigkeit der Farbe nahebrachte. Sein Stil prägte sie maßgeblich, neben dem damals in Pfaffenhofen lebenden Künstler Alessandro Serafini:


„Ich stehe offen zu meinen Lehrmeistern. Ohne diese beiden Menschen wäre ich nicht die, die ich heute bin!“


Die aufrichtige Demut, die bei dieser Aussage zu spüren ist, verdeutlicht auch die Wertschätzung der Möglichkeiten, die sich ihr boten – ein klassisches Studium der Kunst konnte sie aus finanziellen und zeitlichen Gründen nie absolvieren. Hörskens baute ihre Techniken und Malweisen weiter aus, sie besuchte Kurse für Siebdruck und Transferlithografie und begann, Naturfotografien, Druck und Malerei im experimentellen Stil zu vereinen. Inzwischen verarbeitet sie lithografierte Elemente der Natur in Mixed Media und stellt das in der Hallertauer-Region vielleicht eine Spur zu häufig fotografierte oder gemalte Motiv der Hopfengärten spannend und erfrischend neu in abstrakten Bildern dar. „Das Thema Hopfen ist mir persönlich wichtig, da ich aus einem Hopfenanbaubetrieb komme. Sinnbilder sind beispielsweise die Asche, die früher beim Verbrennen der vertrockneten Reben entstand, oder die Drähte, die jedes Jahr neu gespannt werden. Am Ende der Saison werden diese mit den Pflanzenresten gehäckselt, den Gärten als Dünger zugeführt und verrosten dann in der Erde. Die Abbildung dieses sich jährlich wiederholenden Ablaufs von Gedeihen und Zerfall stellen für mich den Kreislauf im Hopfengarten viel schöner und anschaulicher dar als die Darstellung der Hopfenlandschaft selbst. Außerdem richte ich meinen Fokus generell auf die Makroebene.“


In vielen ihrer (Hopfen-)Bilder tauchen Schichten aus Asche oder Flächen aus Rost auf; sie arbeitet mit einer unaufdringlichen Vergänglichkeitssymbolik und verbindet Material und Motiv auf subtile Weise.

Das Aquarell lässt Anita Hörskens als Gegenentwurf zu Drucktechniken, Farbschichten und Materialkombinationen jedoch bis heute nicht los. „Das Wasser, das Plätschern, das Laufenlassen – man muss ein stückweit die Kontrolle abgeben. Und je mehr man dazu bereit ist, desto besser ist es für das Bild!“ Sie kombiniert wie ihr Lehrer Biersack zarte Malweise mit der Akkuratheit der Zeichnung, reduziert Architektur auf ein Minimum an Informationen und und konzentriert sich auf die Essenz.

Es klingt einleuchtend, wenn die Künstlerin ihre Vorgehensweisen erläutert, doch sicherlich sind es die einfach scheinenden Schritte, die die Schülerinnen und Schüler ihrer Malschule vor große Herausforderungen stellen. In vielerlei Hinsicht muss es beim Malen einmal „Klick“ machen, müssen selbst gewonnene Erkenntnisse intuitiv erfasst und verinnerlicht werden. Hörskens erzählt, dass sie beispielsweise häufig mit der Frage konfrontiert werde, warum ihre Bilder – egal ob Hintergründe gegenständlicher Motive oder die Basis abstrakter Bilder – aus vielen Ebenen wie Struktur, Asche, Linien, Formen, Farbflächen und vielem mehr aufgebaut werden. Schließlich zähle doch nur das Endergebnis, also das fertige Motiv. „Ich bin ja wirklich nicht esoterisch, aber mit jeder Ebene hinterlässt man Energie und Spuren auf dem Bildträger.

Je mehr Geheimnisse sich unter dem fertigen Bild verstecken, desto mehr kann der Betrachter gefesselt werden. Malen ist für mich ein Spiel mit Strukturen, Farben, Formen und Linien – ich kann jedem nur raten, sich diesem Spiel hinzugeben und sich treiben zu lassen!“

Und genau das ist letztlich die Kunst – loslassen, sich trauen, hingeben. Gerade am Anfang von Kursen, sagt Anita Hörskens, merke sie häufig, wie schwer es Menschen falle, genau das zu tun. Um hier zu unterstützen, arbeite sie zunächst mit strikten, minimalistischen Anweisungen: Nimm einen Stift und male auf ein Drittel der Bildfläche Kreise! „Ich möchte den Leuten zeigen, dass man IMMER, egal wie strikt eine Anweisung klingt, Freiraum für eigene Gedanken und Entscheidungen hat: „Mit welchem Stift? Auf welchem Drittel der Fläche? Wie groß sollen die Kreise sein? Bei jedem Bild gibt es unendlich viele Möglichkeiten zu gestalten und die Gelegenheit, sich immer wieder neu zu entscheiden!“

Die Kurse bei der Künstlerin aus Pfaffenhofen sind viel mehr als das reine Erlernen von Farblehre, Techniken und der Erfassung von Motiven. Es sind Stunden des Runterkommens, Durchatmens und sich Entwickelns. „Priorität soll das Malen an sich sein, man tut es für sich selbst. Auch wenn es einmal nicht so gut gelaufen ist, war der Prozess trotzdem etwas wert, die Schülerinnen und Schüler sollen erkennen: Ich bin eine Ebene höher gekommen mit meinem Bild. Ob das gut oder schlecht ist, ist in dem Moment eher nebensächlich – viel wichtiger ist die Erkenntnis: ich hab mich mit Farben beschäftigt, ich habe Spuren hinterlassen. All das musste ich selbst auch erst lernen!“ Die Ausbildung zum systemischen Coach, die sie vor zehn Jahren absolvierte, hat ihr persönlich viel geholfen und erleichtert es ihr, Gruppendynamiken zu steuern. Auch in Hinblick auf Firmen- oder Team-Mal-Events kommt Hörskens der professionelle Hintergrund zugute: „Ich gebe den Teilnehmern präzise Anleitungen und Tools an die Hand. Sie lassen sich auf den Prozess ein und können das, was sie dabei selbst erfahren, auf den Alltag und ihr Berufsleben übertragen.“

Mit der gut laufenden Malschule, den Auftragsarbeiten und den Fachbüchern, deren Bewertungen in einschlägigen Online-Shops so manchen Bestseller-Roman in den Schatten stellen, erhält Anita Hörskens nicht nur positive Resonanz. „Als gebürtige Pfaffenhofenerin sah ich mich in der Vergangenheit immer wieder verbalen Angriffen ausgesetzt. Je mehr man in der Öffentlichkeit steht, desto mehr muss man sich eine Elefantenhaut zulegen, sonst geht man daran kaputt.“ Was sie nachdenklich stimmt, ist die mangelnde Wertschätzung in der Heimat: „Die Anerkennung in der eigenen Region ist bei Weitem nicht so hoch wie in anderen Gegenden. Im eigenen Gäu ist man nie viel wert“, meint Hörskens. „Auch die finanzielle Honorierung von künstlerischen Leistungen findet kaum statt – im Gegenteil. Häufig wird davon ausgegangen, dass man seine Bilder kostenlos für Ausstellungen in Kanzleien, Praxen oder Firmengebäuden zur Verfügung stellt und dass das doch kostenlose Werbung sei. Die Unternehmen, die sich das leisten können, sollten hier dringend mehr fördern. Nicht schenken oder sponsern, sondern für Leistung angemessen bezahlen! So wie man es beim Bäcker auch macht: Man bezahlt für eine Breze!“

Selbstverständlich gibt es in der Region Leute, die die Kunst und die Leistung, diese zu schaffen, honorieren. Trotzdem dürften es ein paar mehr sein und wünscht sich die Künstlerin eine regionale Kunstszene ohne Neid – in der man ehrliche und konstruktive Kritik übt und den anderen auch Lob und Anerkennung schenkt.

Anita Hörskens hat sich ein fachliches Standing als Autorin und Dozentin im deutschsprachigen Raum erarbeitet, das es ihr erlaubt, ihre Stimme kritisch zu erheben. So moniert sie die ungleiche Förderung von Männern und Frauen, die auch im künstlerischen Bereich stattfindet. Ist beispielsweise die Zielgruppe der Hobbymaler überwiegend weiblich, werden trotzdem überwiegend Männer als Testimonials, Autoren oder Redner gebucht. Doch diesen Kampf will sie nicht führen und sich lieber auf die Kunst konzentrieren. „Ich bin stolz darauf, wie viel ich erreicht habe, und in der glücklichen Lage, keinem mehr etwas beweisen zu müssen.“

Das muss sie tatsächlich nicht. Nur zwei Stunden mit ihr in ihrem Atelier reichen, um das mit großer Gewissheit zu bestätigen.