Das richtige Dirndl macht jede Frau schöner!
Text: Nora Kammerl I Fotos: Richard Kienberger
Dass ihr Vintage-Dirndl-Laden FranzXaver heißen würde, war Patricia Reichensdörfer sofort klar. Es handelt sich um den Vornamen ihres schon früh verstorbenen Vaters. „Mein Papa war einfach die bayerischste Person, die ich kenne!“ Franz-Xaver Kraus war Metzger, bevor er umsattelte und in Pfaffenhofen eine Fahrschule eröffnete. Die alten Gewohnheiten behielt er allerdings auch als Fahrlehrer bei: „Bei uns kam sogar in die Nudelsuppe Gelbwurst“, erinnert sich Patricia amüsiert. „Der Papa war immer sehr lustig und gemütlich.“ Im Kraus’schen Elternhaus ging es traditionell zu. Die Familie wohnte in einem nach altem Vorbild ausgestatteten Bauernhaus. „Als Kind fand ich das alte Graffel furchtbar. Ich wollte immer wie meine Freunde in einem ganz normalen, modernen Haus wohnen.“ Auch mit der traditionellen Tracht konnte sie als Jugendliche nicht viel anfangen, obwohl ihre Mutter eine Sammlung von besonders schönen Stücken im Schrank hatte. Sie erinnert sich daran, dass sie mit 15 einmal ein Dirndl der Oma trug und die Freundinnen sie fragten, ob es aus China sei. Der schwarze Stoff und der hohe Kragen waren absolut nicht zeitgemäß. Es blieb folglich bei dem einmaligen Experiment, das Dirndl wurde sofort wieder in den Schrank verbannt.
Aus liebe zur tradition und den Dirndln.
Erst im Laufe der Jahre entdeckte Patricia Reichensdörfer ihre Heimatverbundenheit und konnte den Blickwinkel der Eltern nachvollziehen. Und damit kam allmählich auch die Liebe zur Tracht. Ihre Mutter dachte zuerst, das sei „nur eine Phase“ und sagt heute noch gelegentlich zu ihrer Tochter: „Irgendwie dachte ich, gerade du wirst ganz anders!“ Doch die Liebe zur Tradition und den Dirndln war kein kurzzeitiger Spleen, die jüngste der drei Kraus-Schwestern ist nach wie vor Feuer und Flamme für die traditionellen bayerischen Kleidungsstücke. Wenn sie von der Beschaffenheit und der handwerklichen Qualität der alten Dirndl spricht, gerät Patricia geradezu ins Schwärmen. „In so einem Dirndl steckt unheimlich viel Handarbeit, die Schnitte sind viel kreativer als heute, es gibt so viele tolle Details!“ Ihr fällt es dementsprechend leicht, sich auf das liebste Kleidungsstück festzulegen. „Wenn man ein Dirndl anhat, ist man perfekt angezogen und schaut gleich nach was aus! Alles sitzt und man muss nichts zurechtzupfen!“ Das schwarze, hochgeschlossene Dirndl der Oma ist heute eines von Patricias Lieblingsteilen. Was als private Sammlung für den Eigenbedarf begann, nahm im Laufe der Zeit solche Ausmaße an, dass Patricias Mann den Vorschlag unterbreitete, mehr aus dem Hobby zu machen. „Sonst müssen wir bald eine Wohnung für deine Dirndl anmieten!“ Die Liebhaberin der Kleidungsstücke mit der langen Geschichte fand die Idee, einen eigenen Dirndlladen zu eröffnen, durchaus charmant. Auf den Rat einer Freundin hin bewarb sich Patricia für das Pfaffenhofener STUDIO_Projekt, das junge Talente beim Start in die Selbstständigkeit unterstützt. Leider war zu diesem Zeitpunkt keine passende Ladenfläche verfügbar. Man gab ihr den Tipp, bei Pit Riegler vom Kreativquartier „Alte Kämmerei“ nachzufragen. Reichensdörfer hatte Glück, es war gerade ein passender Raum frei und sie erhielt nach einem unkomplizierten Bewerbungsprozess die Zusage. „Mein Projekt passt gut zu dem historischen Gebäude, auch wenn ich mit meinen Dirndln eine Exotin unter den ganzen Künstlern bin“, erzählt die junge Frau fröhlich.
Mein Projekt passt gut zu DEM historischen Gebäude.
Die Vintage-Dirndl findet Patricia auf Flohmärkten und Hausauflösungen, im Internet kauft sie kaum. „Man muss die Sachen einfach anfassen, um ihren Wert und die Qualität abschätzen zu können.“ Mittlerweile bringen auch viele Kundinnen ihre alten Stücke in den Laden und freuen sich, wenn Reichensdörfer ihnen neues Leben einhaucht. Inzwischen ist sie ziemlich gut darin, anhand von Material, Schnitt und Verzierungen genau abzuschätzen, aus welchen Jahrzehnten die Stücke stammen. „Die 70er waren zum Beispiel recht floral, da gab es viele Stickereien. In den 80ern wurden die Verzierungen dann wieder zurückhaltender, dafür kamen die Schulterpolster.“ Ihr ältestes Dirndl stammt aus den 1920er-Jahren, dafür gibt es sogar noch Fotonachweise. Auffällig ist laut Patricia hier vor allem der besonders dicht gewebte Stoff. Die Dirndl-Liebhaberin wäscht alle Stücke sorgfältig, bessert Fehler aus und nimmt erste Anpassungen vor, bevor die Kleidungsstücke in der Alten Kämmerei präsentiert werden. „Die meisten Modelle sind sehr änderungsfreudig und wachsen mit, so wurden sie teilweise über Generationen weitergegeben. Einige sind wie neu, weil sie als Festtagskleidung gehegt und gepflegt wurden, andere haben dagegen viel mitgemacht.“ Patricia Reichensdörfer möchte mit ihrer Geschäftsidee auch ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft setzen: „Wenn gar nichts mehr geht, lässt sich der Stoff immer noch für Kinderdirndl oder Schürzen wiederverwenden.“ Jeden Samstag zwischen 10 und 17 Uhr ist die 27-Jährige in ihrem Laden in der Frauenstraße 36 in Pfaffenhofen anzutreffen. Ihre Freunde können manchmal nicht verstehen, dass sie für FranzXaver Vintage Dirndl einen Teil ihres Wochenendes opfert. Aber Patricia Reichensdörfer hat Freude daran, sie liebt es, Informationen weiterzugeben und selbst Neues zu erfahren. Deswegen stört es sie nicht, dass viele Leute nur zum Schauen und Ratschen vorbeikommen und so ein Besuch durchaus auch zwei Stunden dauern kann. „Man muss den Leuten einen Mehrwert im Vergleich zum Onlineshopping bieten, dazu gehören eben auch ein gemütlicher Ratsch und gute Beratung.“ Manchmal fragt sie sich, ob sie vielleicht keine gute Verkäuferin ist, weil sie Kundinnen auch vom Kauf abrät, wenn sie das Gefühl hat, dass ein Stück nicht zu einem bestimmten Typ passt. So hält Patricia nichts davon, sich bei der Dirndlwahl nur nach aktuellen Trends zu richten. „Momentan will zum Beispiel niemand Puffärmel, dabei sind die für bestimmte Figuren ideal, weil sie ein Gegengewicht zur Hüfte bilden und so die Sanduhrenform des weiblichen Körpers unterstreichen.“ Für jede Frauenfigur gibt es das passende Dirndl und Patricia ist sich sicher: „Das richtige Dirndl macht jede Frau schöner!“
Für jede figur gibt es das passende Dirndl.
Wichtig ist, dass das Dirndl auch gut sitzt, deswegen passt Patricia in ihrer Werkstatt zu Hause jedes Stück individuell an. „Gerade so ein Waschdirndl ist schnell geändert, die Baumwolle lässt sich viel leichter verarbeiten als andere Materialien wie Seide oder Leder.“ Sie ist zwar keine gelernte Schneiderin, hat sich aber im Lauf der Jahre viel Können angeeignet und kann bei schwierigeren Umarbeitungen die professionelle Unterstützung einer guten Freundin mit entsprechender Ausbildung in Anspruch nehmen. Auf Wunsch der Kundinnen trennt sie auch Ärmel ab oder tauscht Borten und Knöpfe aus. Nur abgeschnitten wird selten, denn die Dirndl sollen ja weiter mitwachsen können. Besonders freut sie sich, wenn sie die FranzXaver-Dirndl getragen sieht, zum Beispiel auf dem Pfaffenhofener Volksfest. „Da bin ich dann schon ein bisschen stolz!“ Die 27-Jährige ist gerade dabei, ihr Masterstudium in Soziologie abzuschließen und arbeitet parallel als Werkstudentin in der Organisationsentwicklung. Die Arbeit für FranzXaver schafft ihr einen kreativen und handwerklichen Ausgleich zum Bürojob. Patricia Reichensdörfer genießt es, die Dirndl weiterhin als ihr Hobby sehen zu dürfen und keinen Erfolgsdruck zu haben. Ihr ist es wichtig, der eigenen Linie treu zu bleiben und die Dirndl zu einem fairen Preis anzubieten. Was die Zukunft nach dem Studium bringt, ist noch offen.