Der Badmeister
Text: Florian Festl | Fotos: Richard Kienberger
Markus Horner bittet nach drinnen. Mitten im Raum steht ein Baum, der in einem dunklen Holzboden wurzelt und in der Decke mündet. Eine gläserne Brücke führt über ein Bassin. Rund um die kleine Wasserfläche liegen Steine, zwischen denen Orchideen blühen.Es plätschert kaum hörbar. Horner hat sich hier mit Blick auf das Jetzendorfer Ilmtal seinen locus amoenus eingerichtet. Er wohnt hier, und er arbeitet hier. Etwas genauer noch: Er arbeitet, indem er überlegt, wie es sich schön wohnen lässt. Die Idee, die ihn bis heute beschäftigt, hatte er vor gut zehn Jahren. Damals setzte er sich in den Kopf, für sein Bad ein Waschbecken aus Holz zu bauen – ein schwieriges Unterfangen, denn Holz lebt und arbeitet, anders als für immer erkaltete Keramik.
Er fing an zu experimentieren,
verklebte Hölzer, sägte, schliff und schmirgelte. Irgendwann war die erste Schale fertig. Eine Freundin fertigte von Hand einen exakt angepassten Einsatz aus Glas. Doch das im Paket versandte Unikat kam in Scherben in Jetzendorf an. Die zweite Schüssel hielt wenig später der Einwirkung des Sandstrahlers nicht stand. „Da bin ich von Glas auf Treppenlack umgestiegen“, sagt Horner und steckt sich eine Marlboro an. Er ist keiner von den feinnervigen Künstlertypen, die große Philosophien um ihre Werke spinnen. Er meint nur: „Man muss halt weitermachen, bis es passt.“
Horner holt eine in glänzendes Holz gefasste Präsentationsmappe, die zeigt, wie beharrlich er weitergemacht hat. „Badewelt in Holz“, steht da. Vier Typen von Wasserschalen, acht Waschbecken und drei Badewannen hat er im Sortiment. Sie sind sanft geschwungen, die einen durchweg rund, die anderen spitz zulaufend, einige hell, andere dunkel gebeizt, und alle spielen auf spannende Weise mit dem Licht, das auf sie fällt. Auch das eigene Bad hat er längst mit einem hölzernen Waschbecken ausgestattet, das wie der Kelch einer Tulpe aus der Wand wächst. In die Ecke des Raumes fügt sich weich eine tiefe Holzwanne. Sie besitzt kleine Ausbuchtungen zum Ablegen der Arme.
Den idealen Holzkern
für seine Arbeiten hatte Horner schnell gefunden. Er nimmt Schichtsperrholz aus Birke, wie es Schiffbauer schätzen, weil es die Form selbst bei wechselnder Temperatur und schwankender Luftfeuchte hält. Auf eine hauchdünne Lage hellen Holzes folgt dunkler Kleber, dann wieder helles Holz, und hundertfach so weiter. Die Schichtung erinnert an Vienetta von Langnese oder mehr noch an den Querschnitt einer Prinzregententorte. „Am Anfang habe ich die Holzplatten mit einer Stichsäge noch selbst zurecht geschnitten, das war brutal aufwändig“, sagt Horner. Mit steigender Nachfrage übergab er an einen Schreiner am Chiemsee und dessen computerisierte Fräse. Die Rohgebilde aus dem Bergland wirken schroff. Es dauert Tage und Wochen, bis sie Horner in Jetzendorf mit seinen Schleifgeräten veredelt hat.
Wenn sie sich gut anfühlen in seinen Händen, werden die Wannen und Becken versiegelt. Schon lange nicht mehr mit simplem Treppenlack. Mit der Hingabe eines Alchemisten rührte Horner immer neue Mischungen an und testete verschiedene Verfahren. Mitgedacht hat ein Freund aus dem Nachbarort, der ansonsten in seiner Kfz-Werkstatt Autos repariert und lackiert. Die Werkstücke werden getaucht und somit tiefenimprägniert, danach kommen sie in den Trockenofen. Auf eine Grundierung folgt Zwei-Komponenten-Lack, darauf eine füllende Schicht, wie sie den hölzernen Armaturen von Luxuswagen Glanz verleiht. „Ganz am Schluss kommt ein Überzug, der absolut ungiftig ist. Einer, der für Schulbänke und Spielzeug zugelassen ist“, sagt Horner.
Die ursprüngliche Rohheit hat das Holz nach den vielen Arbeitsschritten verloren,
es ist geschichtet und gebändigt geworden. Strahlende Designobjekte sind entstanden, die dauerhaft Wasser widerstehen und bis auf den Millimeter die Form wahren. Horner erzählt, dass er schon wieder weiterdenkt. Ihn faszinieren Nanolacke, die kleine Kratzer von selber auffüllen. Da läutet es. Das Zeichen, dass unten in der Einfahrt ein Kunde wartet.
Es ist aber keiner, der ein Waschbecken will. Der Mann wünscht einen frischen Schliff für die Kanten seiner Skier. Horner ist nicht nur der Badmeister, bei dem inzwischen Kunden im In- und Ausland bestellen, Leute, die 2500 Euro für ein Waschbecken zahlen und rund 15 000 für eine der Wannen, er führt auch das Sportgeschäft seiner Eltern weiter. Vor 15 Jahren kehrte er deshalb nach Jetzendorf zurück und beendete seine Vagabondage. Der 46-Jährige war schon ziemlich viel in seinem Leben. Er lernte einst Grafiker, danach Elektriker, wartete die Münchner U-Bahnen und jobbte nebenbei für eine Skate-and-Surf-Sendung von Pro Sieben, weil er als einer der ersten mit der Airbrush-Pistole umgehen konnte.
Auch Cafés und Bars hat Horner schon gestaltet. Dabei half ihm, dass er in einer Werkstatt in Oberaudorf gelernt hat, wie Metall verarbeitet wird. Wer im Geschäft der Horners Skistiefel probiert, kann sich auf jäh aufragenden Eisenstühlen niederlassen. Ein Keltenkönig würde gut auf die kühnen Stahlkonstrukte passen, der gemeine Freizeitsportler könnte deplatziert wirken. An der Wand des Ladens hängt ein kunstvoll gefertigter Bogen mit Sehne und Pfeil, alles aus Eisen. Es sind Boten aus einer früheren Zeit, denn momentan ist Horners bevorzugter Werkstoff eindeutig Holz.
Gleich nebenan in der Garage hat er dafür eine Werkstatt eingerichtet. Wo andere gerade mal ein Auto und ein paar Räder unterbringen, hat Horner ein Multifunktionswunder geschaffen. Vorne finden sich diverse Schleifgeräte, abgetrennt davon eine Lackierkammer mit Lüftungsschacht, danach eine Werkbank, und nach oben führt eine Leiter in ein Lager. „Auch Bill Gates hat in einer Garage angefangen“, sagt Horner und lacht. Nun muss er weitermachen, erstmal mit Skiservice.