In Bewegung bleiben

Text und Fotos: Richard Kienberger


Ein stylisher Showroom, hochglanzpolierte Fahrzeuge im Wert von einigen Hunderttausend Euro, perfekt gesetztes Licht und freundliches Personal, das sich mit gedämpfter Stimme um jede Kundin und jeden Kunden bemüht:


Ist in diesem Ambiente die Frage, ob klassische inhabergeführte Autohäuser noch eine Zukunft haben, nicht völlig deplatziert? Gerrit Jan Gerritsen wäre in seinem Job am falschen Platz, würde er die Frage nicht mit einem klaren „Ja, sie haben eine Zukunft!“ beantworten. Warum das so ist, kann der Geschäftsführer der Peter Praunsmändtl GmbH & Co. KG natürlich ausführlich begründen. Dabei stellt sich schnell heraus, dass die eingangs gestellte Frage doch nicht ganz unberechtigt ist. Warum sollten Internetriesen wie Amazon, die vielen Einzelhändlern das Leben schwer machen und damit weitreichende Probleme geschaffen haben – ein häufig genanntes Stichwort wäre die Verödung der Innenstädte – vor Autos haltmachen? Die geballte Marktmacht dieser Konzerne, deren Marktwert ein Vielfaches dessen beträgt, was die Börsen für die großen Autokonzerne wie Mercedes-Benz oder sogar Volkswagen notieren, wäre fraglos ein gewaltiger Störfaktor im lange eingespielten Verhältnis zwischen Herstellern, Autohäusern und deren Kunden. 

Genau deshalb, erklärt Gerritsen, werde sich dieses Verhältnis auch zum 1. Mai nächsten Jahres grundlegend ändern. Das Datum gilt nur für das Netzwerk von Mercedes-Benz, aber die beiden anderen großen deutschen Hersteller haben bereits angekündigt, Vergleichbares umzusetzen oder zu planen. In Zukunft werden die Fahrzeuge mit dem Stern nicht mehr vom Vertragshändler angeboten und verkauft, sondern direkt über den Händler, der jetzt vertragsrechtlich in einen Agenten umgewandelt wird und somit im Auftrag und im Namen des Herstellers vermittelt bzw. verkauft. Durch diese Form des direkten Vertriebs bleiben Preisdrücker oder Umwegmodelle außen vor. Zudem gehen Onlineverkäufe nicht mehr zulasten des Händlernetzwerks, On- und Offline werden verzahnt. Mit anderen Worten bedeutet das: Jeder Händler bekommt seine vertraglich zugesicherte Provision, egal auf welchem Weg ein Neufahrzeug den Weg zum Kunden findet. Gerritsen drückt es so aus:

„Trotz aller Online-Aktivitäten des Herstellers spielt das Händlernetzwerk weiterhin eine feste Rolle im Vertriebsprozess.“

Schließlich sind die Transformationsprozesse im Bereich emissionsfreies Fahren/Elektromobilität Treiber dieser Veränderung. Das alles erklärt zu einem guten Teil seine Zuversicht, was die Zukunft der Autohäuser anbelangt, selbst wenn in einem fortschreitenden Konzentrationsprozess der eine oder andere kleinere Betrieb im Netzwerk aufgeben könnte oder eine andere Rolle – zum Beispiel als reiner Service-Stützpunkt – einnehmen muss. 



Aber welchen Spielraum räumen die strategischen Überlegungen der Premiummarke künftig den vertraglich gebundenen Autohäusern noch ein? Bleibt neben den digitalen Futterplätzen genug Freiraum, in der sich die bekannte analoge Welt vielleicht zum Teil neu erfinden und ihre Daseinsberechtigung nachweisen kann? Im Schnitt nur noch 1,4-mal kommt ein Kunde vor Abschluss des Kaufvertrags in ein Autohaus, sagt die Statistik. Die Vorauswahl wird vor allem von den jüngeren Kunden häufig am Bildschirm vorgenommen. Wenn Verkäufer auf ihre Kundinnen und Kunden treffen, haben die meistens schon sehr konkrete Vorstellungen davon, wie ihre Neuerwerbung aussehen und ausgestattet sein soll. Die Marketingstrategen fassen diese Prozesse mit dem Begriff „customer journey“ zusammen: Der Autokauf als Reise, die vielleicht im Internet beginnt und ihren Abschluss im Autohaus findet. Schließlich lassen sich Stoffe am Bildschirm nicht befühlen, der Lack schaut auf einem Musterblech auch anders aus als auf dem Laptopscreen und nicht zuletzt verleitet ein angenehmes Ambiente vielleicht doch dazu, noch das eine oder andere Extra zu ordern. Und ein letzter Punkt ist gerade nach den Einschränkungen in den ersten Jahren leichter nachvollziehbar: Wenn sich Kundinnen und Kunden im Gespräch mit dem Verkaufspersonal angenommen fühlen und eine Beratung bekommen, die dem Anspruch des Herstellers entspricht, ist das immer noch ein markanter Unterschied zum unpersönlichen Internet, den viele Menschen zu schätzen wissen. Zumal es ja nicht um den Kauf von schnöden Masken oder Druckerpatronen geht, sondern um eine Anschaffung, die gerade in Deutschland einen hohen emotionalen Wert besitzt. „Wir kümmern uns!“ ist ein Versprechen, das in der analogen Welt deutlich besser funktioniert als auf den Bestellseiten von Amazon & Co. Wobei es natürlich nicht beim Versprechen bleiben darf, sondern „über alle Kundenkontaktbereiche hinweg bestmögliche Dienstleistungsbereitschaft gelebt werden muss“, wie es Gerritsen umschreibt. Es ist wohl ein Glück für das Unternehmen, dass sich die Probleme in den Lieferketten und die damit verbundenen Lieferschwierigkeiten und -fristen durch viele Branchen ziehen und in der Öffentlichkeit bekannt sind. Insofern ist es also nicht nur „der Stern“, der Neuwagen und Ersatzteile nicht oder nur mit langer Wartezeit liefern kann und sich zu allem Überfluss bedeckt hält, was Zusagen anbelangt. Gerritsen weiß, dass das für Kundinnen oder Kunden ärgerlich ist, aber „wir haben darauf wenig Einfluss“. Was für ein Autohaus aber entscheidend sei, ist der Umgang mit dieser unerfreulichen Situation: „Das Verkaufspersonal muss der Kundschaft gegenüber maximal transparent auftreten und vor allem frühzeitig auf sie zugehen, wenn es neue Fakten oder Informationen gibt. Nur so lässt sich ein Vertrauensverlust vermeiden.“

Vielleicht lassen sich schlechte Nachrichten – von denen Gerritsen aus nachvollziehbaren Gründen hofft, dass sie bald der Vergangenheit angehören und die Lieferengpässe überwunden werden – besser verkaufen, wenn Kunden nicht wie in einem Verhör auf einem unbequemen Stuhl am Schreibtisch des Verkaufspersonals Platz nehmen müssen. Das Bemühen, der Klientel eine angenehme Atmosphäre zu bieten, drückte sich aber schon vor Beginn der aktuellen Krise in der Umgestaltung der Autohäuser aus. Die werden zu kleinen Markenwelten mit schickem Mobiliar, die offen und transparent wirken und indirekt signalisieren, dass das Autohaus mehr zu bieten hat als nur Autos: Ein zur Marke passendes Bobby-Car für den Nachwuchs, Uhren, Modellautos oder ein süßer Wackeldackel, auch wenn kaum mehr ein Fahrzeug die klassische Hutablage unter dem Heckfenster hat.


Verkaufsraum oder Showroom? Was genau genommen dasselbe ist, weckt doch unterschiedliche Erwartungen.


Es sind viele Stellschrauben, an denen gedreht wurde, um ein Autohaus wie die Zentrale der Peter Praunsmändtl GmbH & Co. KG in der Ingolstädter Goethestraße an den vermuteten Geschmack und die Bedürfnisse der Kundschaft sowie an den Zeitgeist anzupassen. Doch wie sieht es auf der anderen Seite aus, was macht einen „typischen Kunden“ aus? Gerrit Jan Gerritsen glaubt nicht, dass es heute noch einen typischen Mercedes-Kunden gibt. Er sieht die Marke im Wettbewerb mit anderen Premiummarken und so etwas wie die früher oft gelebte Nibelungentreue zu einer bestimmten Marke wird inzwischen immer seltener:

„Stattdessen gibt es eine berechtigt hohe Erwartungshaltung an das Produkt sowie an unsere Dienstleistungsqualität. Dem müssen wir entsprechen, um Markentreue herzustellen.“ 

Mercedes-Benz, so Gerritsen, konstatiere einen stetigen Wandel, was das Alter der Kundschaft betreffe: „Käuferinnen und Käufer unserer Fahrzeuge sind im Lauf der Zeit deutlich jünger geworden, was am Design der Produkte ebenso liegt wie am Marketing, der Kommunikation und dem Markenwert der Fahrzeuge.“ Wobei der Geschäftsführer feststellt, dass auch ältere Kundinnen und Kunden im Internetzeitalter leben, sich dort Informationen einholen und auch für die zusätzlichen, App-basierten Angebote erwärmen, die inzwischen zum Standardportfolio eines Herstellers gehören müssen. Der hohe Informationsstand der Klientel ließ es angeraten erscheinen, spezielle Produktexperten zu installieren, die das Verkaufspersonal bei Konfiguration und Auslieferungen unterstützen – und möglicherweise in der Zukunft den klassischen Autoverkäufer mehr und mehr verdrängen könnten, da ist sich der Geschäftsführer von Praunsmändtl noch nicht ganz sicher, „wohin der Weg führt“.


Das Führungsteam: v.l. Reinhard Seitle, Florian Brandstetter, Gerrit Gerritsen, Helene Marbach, Henning Kanitz


Die Strategie eines Autoherstellers und die guten Absichten des Managements sind eine Seite der Medaille, die aber wenig helfen, wenn nicht genügend oder das richtige Personal rekrutiert werden kann, um die vielen Versprechungen und Absichten umzusetzen. Nicht nur für die Autohäuser in der Region sind die Arbeitsplätze der Hersteller in den boomenden Wirtschaftszentren München und Ingolstadt ein Riesenproblem. Die locken ihre Mitarbeiter mit Extraprämien und weiteren Industrie-Vorteilen. Wie kann sich ein Mittelständler gegen diese Konkurrenz behaupten und genügend Personal finden? Und wie schaut es eigentlich mit dem einstigen Traumjob Automechaniker aus? Ist das immer noch eine Männerdomäne und in welche Berufszweige hat sich der „Schrauber“ aufgesplittet? 

Bei der Gender-Frage setzt Gerrit Jan Gerritsen ein „Leider“ vor seine Antwort: „Leider ja, es ist immer noch eine Männerdomäne. Wir versuchen, dem durch viele Initiativen wie dem bekannten Girls Day, bei dem Schülerinnen in den Betrieb eingeladen werden, um die technischen Berufe kennenzulernen, entgegenzusteuern. Was aber bemerkenswert ist: Wenn Mädchen oder junge Frauen sich für eine technische Ausbildung entscheiden, starten die durchweg von Anfang an mit hoher Motivation durch und glänzen mit ihren Ausbildungsleistungen.“ Jetzt nicht mehr als „Automechanikerin“, sondern als „Kfz-Mechatronikerin“ mit der Möglichkeit, die erworbenen Kenntnisse im dritten Lehrjahr in einem weiteren Segment – Personenkraftwagentechnik, System- und Hochvolttechnik, Nutzfahrzeugtechnik oder Karosserietechnik – zu vertiefen. Darüber hinaus bildet Praunsmändtl auch in den Berufsbildern Fahrzeuglackierung (m/w/d) und Automobilverkauf (m/w/d) aus. Übrigens: Um für die neuen elektromobilen Zeiten gerüstet zu sein, sind umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen nötig, die von den Herstellern auch zwingend vorgeschrieben werden. Einen mittleren sechsstelligen Betrag gibt der Mercedes-Benz-Vertragspartner dafür aus, wobei die Kosten für die Ausfallzeiten noch nicht mit eingerechnet sind. 

Die Konkurrenz durch die industriellen Arbeitsplätze sieht Gerritsen als eine der größten Herausforderungen für sein Unternehmen:

„Wir müssen vor diesem Hintergrund als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden, um beachtet zu werden.“

Das Entgelt stelle zwar für viele Bewerberinnen und Bewerber einen wichtigen Punkt dar, der aber im Einzelfall durch viele Vorteile eines
Familienunternehmens kompensiert werden könne. Der Geschäftsführer zählt hier Aufstiegsperspektiven, das Angebot weiterführender Qualifizierungen, frühzeitige Übertragung von Verantwortung, viel Abwechslung im Arbeitsalltag, flache Hierarchien und soziales Engagement auf. Nicht zuletzt das Angebot von Dienstwagen für herausgehobene Positionen sei ein wichtiger Aspekt. Darüber hinaus können die Beschäftigten in der Ingolstädter Zentrale und den Niederlassungen in Neuburg, Schrobenhausen und Pfaffenhofen (eine weitere besteht in Ingolstadt) auf einen Code of Conduct verweisen, für Gerritsen ein wichtiges Instrument im Unternehmen, mit dem der Belegschaft bestimmte Rechte
garantiert werden. Zwölf Punkte umfasst dieser Katalog, von Leitlinien der Zusammenarbeit und Führung über Ziele, Besprechungen, Delegation und Verantwortung bis zum Punkt Konfliktlösung. 

Vielleicht ist es letztlich aber etwas ganz anderes, was mindestens mittelfristig so etwas wie eine Garantie für die Zukunft der Autohäuser darstellt, auch wenn der Praunsmändtl-Geschäftsführer Gerritsen oder Ola Källenius, der Chef von Mercedes-Benz, so direkt nie öffentlich posten würden: Im Geschäft mit Privatkunden ist für einen Hersteller deutlich mehr Marge möglich als beim Verkauf an Großkunden wie Vermietflotten – oder eben die Großen im Online-Geschäft. Privatkunden werden im Moment vorrangig beliefert, das Geschäft mit den Großabnehmern, die beim Einkauf den Preis und damit den Profit drücken, wurde kräftig zurückgefahren: Der „kleine“ Kunde ist in Zeiten knapper Ressourcen König im Autohaus.


TRADITION seit 1885

Das Ingolstädter Familienunternehmen Praunsmändtl wurde von Wilhelm Praunsmändtl 1885 als Büchsenmacherei und Handel für Fahr- und Motorräder gegründet. 1917 eröffnete Emil Praunsmändtl die erste Fahrschule Ingolstadts. Er war es auch, der 1925 den Vertrag mit Daimler-Benz unterschrieb, der das Unternehmen zum Vertragshändler machte.

Das Autohaus siedelte 1957 in die Goethestraße um und wurde seitdem immer wieder umgebaut und modernisiert. Dazu kam später ein Betrieb speziell für die Betreuung der Nutzfahrzeugkunden. Die Niederlassung in Neuburg wurde 1975 eröffnet. 2000 ergänzte das Unter­nehmen seine Präsenz um die Niederlassung in Schrobenhausen, 2016 kam mit der Übernahme des vormaligen Mercedes-Center Holledau die Pfaffenhofener Dependance zur Peter Praunsmändtl GmbH & Co. KG. Mit dem Ausscheiden der Mehrheitsgesellschafterin Edith Praunsmändtl aus der aktiven Führung der Unternehmensgruppe am Ende des Jahres 2019 übernahm Gerrit Jan Gerritsen die Geschäftsführung.