Gefühl und Härte

Text und Fotos: Richard Kienberger

Am beeindruckendsten ist der Torwart. Angetan mit einer dicken Rüstung, die an mittelalterliche Ritter erinnert, fetzt er über das Eis. Wobei die Ritter sicher weitaus weniger beweglich waren. Dicke Polster schützen die Schienbeine, aufgeplusterte Handschuhe die Hände, der Helm ist nicht nur wie üblich vergittert, sondern verfügt zudem über einen speziellen integrierten Kinnschutz. Erst als „der“ Torwart während des Trainings ganz nah an der Bande vorbeifetzt, erkennt man den Irrtum: Es ist ein Mädchen, das sich unter dem massiven Schutzpanzer verbirgt und immer wieder unerschrocken dem Puck entgegenwirft. Eiszeit in Pfaffenhofen: Aber diesmal sind es nicht die großkalibrigen Ice Hogs, die im Sportzentrum der Kreisstadt trainieren, sondern der Nachwuchs. Ein paar ganz kleine Jungen und Mädchen sind dabei, die fast zwischen Schlittschuhen und Helm zu verschwinden scheinen, dazu viele Jugendliche, die offenbar beizeiten gelernt haben, sich auf Schlittschuhen zu bewegen. Sehr souverän sieht das aus, wenn sie über das Eis fegen, blitzschnell die Richtung wechseln oder nach dem Puck sprinten. „Mit vier Jahren können die Kinder zu uns ins Training kommen“, sagt Christian Strack, der stellvertretende Jugendleiter des Vereins. Bis sie zehn Jahre alt sind, werden die jungen Eishockeystars in der Altersgruppe U 10 zusammengefasst, danach geht es in Zwei-Jahres-Schritten weiter. „Bis zur U 18 haben wir in allen Altersklassen Mannschaften für die jeweiligen Wettbewerbe gemeldet“, erläutert der ECP-Funktionär. „Die U 18 befindet sich allerdings noch in der Aufbauphase, aber auch da werden wir bald komplett sein.“ Weil man Eishockey meistens nur aus den TV-Reportagen über Bundesliga, internationale Meisterschaften oder Olympische Spiele kennt, liegt der Gedanke nahe, das sei zumindest in den Mannschaften ein reiner Männersport. Weit gefehlt – die forsche Torfrau spielt ebenso wie alle anderen Nachwuchscracks des ECP in einem gemischten Team. Rein theoretisch dürften Frauen auch in den Profiligen mitspielen, doch in der stark körperbetonten Sportart machen sich spätestens mit dem Ende der Pubertät die physischen Unterschiede stark bemerkbar und sorgen so dafür, dass die Männer unter sich bleiben. „Ab der U 16 gibt es deshalb gesonderte Mädchen- oder Damenligen“, erklärt Strack. Die kleinen Eishockeyspielerinnen und -spieler der Altersklasse U 10 messen sich in einer speziellen Liga auf Bezirksebene mit den Gleichaltrigen aus anderen Vereinen. In allen anderen Altersklassen sind die ECP-Teams in der Landesliga gemeldet. Die U 12 schaffte in diesem Jahr den Direktaufstieg in diese Spielklasse.gefuehl_haerte_artikl_01

Die jungen Pfaffenhofener wurden nach 16 Vorrundenspielen ungeschlagen Bezirksligameister und setzten sich auch im Aufstiegs- turnier erfolgreich durch.

Die Teilnahme an der Landesliga bedeutet für die Jugendlichen, ihre Eltern und die Betreuer einen erheblichen Aufwand. Für die angesetzten Begegnungen müssen sie bis nach Bayreuth, Schweinfurt, Höchstadt oder Passau fahren. Das Training beginnt im frühen Herbst. „Wir versuchen, jedes Jahr ungefähr nach dem Ende des Volksfests das Eis zu bekommen“, sagt Strack. „Die Saison geht dann bis Mitte März.“ Für die ehrgeizigsten Nachwuchsspieler mit dem nötigen Talent hat der ECP eine gute Möglichkeit gefunden, Spielpraxis zu sammeln und das persönliche Können weiterzuentwickeln: Es gibt eine Kooperation mit dem berühmten Verein in der Nachbarschaft. Strack sieht darin „eine Win-win-Situation“ für den ECP und den ERC Ingolstadt. Der bekommt so junge Spieler mit einem gewissen Potenzial, die in der jungen Bayernliga-Mannschaft des Vereins spielen können, die vor allem aus Spielern besteht, die aus der Ingolstädter Nachwuchsförderung kommen. Der Pfaffenhofener ECP wiederum kann den Überdurchschnittlichen in seinen Jugendteams eine Perspektive bieten und die Jungstars vielleicht sogar in den eigenen Ligamannschaften einsetzen.

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Die Teilnahme an der Landesliga bedeutet für die Jugendlichen, ihre Eltern und die Betreuer einen erheblichen Aufwand. Für die angesetzten Begegnungen müssen sie bis nach Bayreuth, Schweinfurt, Höchstadt oder Passau fahren. Das Training beginnt im frühen Herbst. „Wir versuchen, jedes Jahr ungefähr nach dem Ende des Volksfests das Eis zu bekommen“, sagt Strack. „Die Saison geht dann bis Mitte März.“ Für die ehrgeizigsten Nachwuchsspieler mit dem nötigen Talent hat der ECP eine gute Möglichkeit gefunden, Spielpraxis zu sammeln und das persönliche Können weiterzuentwickeln: Es gibt eine Kooperation mit dem berühmten Verein in der Nachbarschaft. Strack sieht darin „eine Win-win-Situation“ für den ECP und den ERC Ingolstadt. Der bekommt so junge Spieler mit einem gewissen Potenzial, die in der jungen Bayernliga-Mannschaft des Vereins spielen können, die vor allem aus Spielern besteht, die aus der Ingolstädter Nachwuchsförderung kommen. Der Pfaffenhofener ECP wiederum kann den Überdurchschnittlichen in seinen Jugendteams eine Perspektive bieten und die Jungstars vielleicht sogar in den eigenen Ligamannschaften einsetzen.

Momentan ist es unter anderem Stracks 12-jähriger Sohn Kilian, der sich ebenso wie seine ungefähr gleichaltrigen Vereinskameraden Moritz, David, Luis, Julian und Hannes ganz dem Eishockey verschrieben hat und mit einer Doppel-lizenz sowohl bei seinem Heimatverein ECP als auch in einer Jugendmannschaft des ERC Ingolstadt spielt. Wenn Strack davon erzählt, ist der Stolz des eishockeybegeisterten Vaters unüberhörbar. Andererseits gibt der stellvertretende ECP Jugendleiter zu, dass es eine enorme Belastung für die Kinder oder Jugendlichen darstellt, wenn sie ihren Sport so betreiben, dass es später einmal für die Kategorie „Spitzensportler(in)“ reichen könnte, was in dem Fall ein Engagement in einer der Mannschaften bedeuten würde, die in den höchsten Profiklassen spielen. „Die Jungs stehen in diesem Jahr seit dem 2. August auf dem Eis. Sie kamen wegen ihrer Leistungen in der Bezirks- und Landesliga in einen Talentförderungslehrgang, das ist letztlich eine Sichtung durch den BayerischenEissport-Verband. Daran schlossen sich verschiedene Kaderlehrgänge an, im September begann dann das Training in Pfaffenhofen.“ Was Strack nicht groß erwähnt: Solche Talente können sich ja nur entwickeln, wenn auch die Eltern bereit sind, die damit verbundenen Strapazen auf sich zu nehmen. Bis zu vier Mal pro Woche müssen die jungen Eishockeycracks nach Ingolstadt ins Training gefahren werden, dazu kommen unter Umständen noch die „Ausflüge“ im Rahmen des Ligabetriebs. Die ECP-Youngsters fahren aufgrund ihrer Leistungen zudem regelmäßig zum Stützpunkttraining nach Erding. Auch das liegt ja aufgrund der komplizierten Verkehrsverbindung nicht gerade um die Ecke. Die Eltern, die den Taxi-Service übernehmen, müssen also zwangsweise beim Training auf der Zuschauerbank im zugigen Stadion sitzen oder sich die Zeit anderweitig vertreiben.

Keine Frage, über Fahrstrecken und den Stress, den es bedeutet, für die Sprösslinge mehrmals pro Woche als Limousinenservice (und Wäscherei mit Vollservice) zu fungieren, denken nur die Erwachsenen nach. Die Kinder und Jugendlichen, die ebenso aufgekratzt sind, wie sie das Eis im städtischen Stadion aufkratzen, haben einfach nur Freude bei dem, was sie tun.

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Das System ist einfach: Der Trainer ruft die unruhige Meute zusammen, stellt eine Aufgabe, die dann gelöst wird.

Mal fahren die Nachwuchscracks in Schlangenlinien, dann üben sie das Scharfschießen oder den rasanten Umgang mit Puck und Schläger. Vor allem ein gutes Koordinationsgefühl ist beim Sport auf den Kufen gefragt, dazu soll der Nachwuchs die nötige Härte entwickeln, um sich beim Kampf um den Puck durchsetzen zu können. Die Kinder haben wie in allen anderen Sportarten auch einen unterschiedlichen Anspruch an sich selber. Manche entwickeln enormen Ehrgeiz, für andere ist es mehr eine reine Freizeitbeschäftigung, die hauptsächlich Spaß machen soll oder als Möglichkeit gesehen wird, gemeinsam mit Freundinnen oder Freunden etwas zu unternehmen. Doch Mannschaftssportarten – egal ob mit oder ohne Ball beziehungsweise Puck – entwickeln immer ihre eigene Dynamik. Irgendwann muss sich der individuelle Anspruch dem Niveau des Teams anpassen, wenn es weitergehen soll. Es ist eine Wechselwirkung: Hat die Mannschaft Erfolg, werden oft auch die weniger Engagierten zu Höchstleistungen angespornt. Ist eine Mannschaft dagegen nur Mittelmaß, versanden die Talente, sofern sie keine Möglichkeit haben, sich anderweitig in Szene zu setzen.

Gut auf Schlittschuhen über das Kunsteis fetzen zu können, macht nur einen Teil der Fähigkeiten aus, über welche die jungen Eishockeycracks verfügen sollten.

Ebenso wichtig ist wohl der unbedingte Wille, sich durchzusetzen: Als unbedarfter Beobachter ist man überrascht, dass der Nachwuchs nicht nur die Trikots der jeweiligen Vorbilder trägt, sondern sich auch in Sachen Härte offenbar schon so einiges abgeschaut hat von den Großen, die beim Kampf um den Puck wenig zimperlich miteinander umgehen. Anders gesagt: Nicht immer ist es der Puck, den der Schläger trifft. Gefühl und Härte – der alte Spontispruch aus den Siebzigern passt immer wieder mal und beschreibt auch punktgenau, was beim Eishockey zählt.